Rauchen und Tauchen
News - Rauchen und Tauchen
Rauchen ist gemäss dem Tauchtauglichkeitsmanual der Schweizerischen Unterwasser- und Hyperbarmedizingesellschaft kein Grund, nicht tauchen zu können. Weshalb soll denn nun auch hier noch auf den Rauchern herumgehackt werden? Abgesehen davon ist ja schon alles übers Rauchen bekannt. Wirklich?
Text: Dr. med. Beat Staub –
Facharzt für Allgemeinmedizin FMH, Diving Medicine Physician EDTC
Wir Taucher sind sensible Menschen, wenn es um unser Atemgas geht manchmal sogar etwas zwanghaft. Schon im Anfängertauchkurs lernt man, dass die Pressluft oder was auch immer in der Flasche abgefüllt ist, keine Verunreinigungen enthalten dürfe. Schlimme Verunreinigungen könne man manchmal riechen, hat mir mal ein erfahrener Taucher gesagt. Tatsächlich hat er jeweils beim Vorbereiten der Tauchausrüstung etwas Atemgas ausströmen lassen, um daran zu schnüffeln. Interessanterweise hatte er dabei eine Zigarette zwischen den Fingern. Was er denn wohl wirklich riechen konnte – nun, so genau weiss ich das nicht.
Rauchen und Tauchen, das ist ein Paar, das nur bedingt zusammenpasst. Man geht davon aus, dass in der Schweiz etwa ein Viertel der Bevölkerung ab 15 Jahren gelegentlich oder täglich raucht. Am häufigsten werden Zigaretten geraucht, nämlich bei etwa 71% der Rauchenden. Sie verqualmen im Durchschnitt täglich mehr als 13 Zigaretten, die Gelegenheitsrauchenden lediglich etwas mehr als 1. Wieviel da täglich verraucht wird mag jeder selber ausrechnen. Ebenso die Anzahl der Kippen, die täglich irgendwo auf dem Boden landen.
Wenn die Taucher einen Querschnitt durch die Bevölkerung darstellen, so müssen wir annehmen, dass ungefähr ein Viertel von ihnen raucht. Das Thema ist also schon nicht ganz abwegig.
Der Tabak ist eine hochinteressante Pflanze. Es sind mehrere hundert Inhaltsstoffe bekannt. Wenn diese noch mit Hitze behandelt werden, wie es ja bei jeder glimmenden Zigi der Fall ist, so entstehen mehrere Tausend chemische Substanzen. Die meisten von diesen sind im eigentlichen Rauch fein verteilt, so dass sie beim Inhalieren bis in die feinsten Lungenabschnitte verteilt werden. Nebst dem Nikotin sind zahlreiche von diesen als gesundheitsschädlich identifiziert worden. Von A (wie Ammoniak) bis Z (wie Zink) ist das gesamte chemische Alphabet in den Inhaltsstoffen zu finden, selbst das alpha-strahlende Polonium ist darin enthalten. Ein grosser Teil dieser Substanzen ist entweder chemisch aktiv und löst Reaktionen im Gewebe aus. Ein anderer Teil legt sich als teerartige Masse auf die Bronchialmembranen und verstopft sie.
Raucher nehmen diesen Cocktail in Kauf und konsumieren ihr Genussmittel ohne exakte Kenntnis der Produkte- und Inhaltsstoffdeklaration. Eigentlich eigenartig, wo wir alle doch sonst so darauf bedacht sind, ganz genau zu wissen, was wir uns zufügen.
Rauchen ist für eine ganze Reihe von Krankheiten verantwortlich. Herz- und Kreislaufkrankheiten gehören dazu, inklusive Herzinfarkt und Hirnschlag sowie Durchblutungsstörungen der Beine. Raucher haben ein deutlich erhöhtes Risiko für die chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD) sowie für Krebsleiden. Dabei muss man allerdings auch sagen, dass eine gewisse genetische Veranlagung bei der Entstehen vor allem der COPD und von Krebs mitbeteiligt ist. Deshalb kennt ja jeder Raucher mindestens eine Person mit Lungenkrebs, die nie geraucht hat. Und umgekehrt hat jeder Raucher einen Onkel, der Kettenraucher war und keinen Krebs erlitten hat.
Rauchen ist kein Grund, nicht tauchen zu dürfen. Warum also die Aufregung?
Die medizinischen Experten von DAN (Divers Alert Network), die auch sehr aktiv forschen, halten fest, dass der Tabakkonsum das Atmen sowohl auf Dauer als auch unmittelbar beeinträchtigt. Nebst den erhöhten Kohlenmonoxid- bzw. den reduzierten Sauerstoffwerten im Blut ist vor allem die Lähmung der reinigenden Flimmerhärchen in den Bronchien zu nennen. Durch den nicht weggeschafften Schleim können die feinen Luftwege blockiert werden. Dadurch werden die Lungenbläschen überdehnt und der Taucher läuft Gefahr, eine arterielle Gasembolie zu erleiden. Auf lange Sicht reduziert das Rauchen die Elastizität der Lunge, was wiederum den Gasaustausch massiv beeinträchtigt. Schlussendlich kann eine chronische Lungenkrankheit entstehen, die auch medikamentös nur noch schlecht behandelt werden kann. Eine solche COPD ist eine absolute Kontraindikation fürs Tauchen!
Immerhin: Wenn der Tabakkonsum beendet wird, so erholt sich die Lungenfunktion zwar nicht mehr. Aber sie gleicht sich relativ bald wieder derjenigen der gleichaltrigen Nichtraucher an.
Rauchen verengt die Bronchien. Als Taucher muss man sich bewusst sein, dass die kalte, trockene Luft, die wir aus unseren Flaschen atmen, ebenfalls ein Stress für die Luftwege darstellt. Wenn dann noch kaltes Wasser und körperliche Anstrengung dazukommen, so verhält sich unsere Lunge, als ob sie Asthma hätte.
Es gibt Hinweise, dass das Rauchen das Risiko für Dekompressionskrankheiten nicht direkt erhöht. Es scheint aber, dass die Symptomatik bei einer Deko-Krankheit schwerer ist als bei Nichtrauchern.
Der Nutzen der E-Zigaretten zur Verhinderung von Gesundheitsschäden wie Lungenkrebs oder COPD ist noch ungenügend erforscht. Man darf annehmen, dass der Chemikaliencocktail nicht so vielfältig ist wie bei den konventionellen Zigaretten. Immerhin ist ja die Verdampferflüssigkeit in ihrer Zusammensetzung bekannt. Wird ein sogenanntes Liquid ohne Nikotin verdampft, so läge die Vermutung nahe, dass weniger Schäden gesetzt werden. Eine grosse Untersuchung weist jedoch darauf hin, dass E-Zigaretten den Rauchern nicht wesentlich helfen, von ihrer Sucht wegzukommen. Ehrlicherweise muss man sagen, dass noch zu wenig zuverlässige Forschung durchgeführt werden konnte, weil das Verfahren ja noch relativ neu ist und es meist Jahre braucht, bis ein gesundheitlicher Schaden oder Nutzen nachgewiesen werden kann.
Was man weiss: die schädigenden Auswirkungen des Rauchens sind dosisabhängig! Je weniger, desto besser . . .
Mit der Shisha ist’s bessa . . . ?
Als Alternative zum Zigarettenkonsum ist das Schmauchen einer Wasserpfeife (Shisha) vor allem bei Jungen und Junggebliebenen ein Trend geworden. Dabei werden glühende Kohlen auf aromatisierten Tabak gelegt. Der entstehende Rauch wird eingesaugt und eingeatmet, nachdem er durch einen Wasserbehälter hindurch geblubbert ist. Aus Umfragen geht hervor, dass 10–35% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen regelmässig Shisha rauchen. Sie glauben, dass sie sich so einen Gefallen tun. Schliesslich werde der Rauch ja durch das Wasser hindurch gezogen und so von Schadstoffen gefiltert und gereinigt.
Leider ist das eine Fehlannahme: Forscher konnten zeigen, dass es auch beim Shisharauchen zu eindrücklichen und eindeutigen Lungenveränderungen kommt. Shisha-Raucher haben im Vergleich mit Nichtrauchenden häufiger Husten, vermehrt Auswurf und veränderte Diffusionswerte für Kohlenmonoxid. Mit aufwändigen Untersuchungsmethoden konnte so nachgewiesen werden, dass selbst «nur» gelegentliches Shisha-Rauchen schon früh Schäden an der Lunge auslöst. Somit ist klar belegt, dass der Konsum von Shishas weniger gesund ist als Nichtrauchen! Ob es allerdings im Vergleich mit dem Zigarettenkonsum besser abschneidet ist aufgrund dieser erwähnten Untersuchung nicht klar belegt.
Man muss zugeben, dass es nicht nur drauf ankommt wie der Tabak konsumiert wird. Möglicherweise spielt nämlich auch der bei Shishas verwendete Tabak eine besondere Rolle. Dieser darf offenbar bis zu 6 MAL mehr Feuchthaltemittel enthalten als es beim Zigarettentabak erlaubt ist. Diese chemischen Zusatzstoffe sind aber vermutlich selber gesundheitsschädigend.
Nebenbei: die vielen Shisha-Bars, die in allen grösseren Städten für orientalische Lebensfreude sorgen wollen, besorgen vor allem den Druckkammerzentren einen konstanten Fluss an Patienten mit Kohlenmonoxidvergiftungen. Aber das wäre ja wieder ein anderes Thema.
Ich will keinesfalls auf den Rauchern herumhacken! In meiner Praxis erlebe ich immer wieder, dass es bei manchen eine dumme Angewohnheit ist, bei manchen aber eine Sucht. Der Ausstieg geschieht nicht einfach so. Wichtig scheint mir, dass das Rauchen bzw. das Aufhören immer wieder angesprochen wird. Wenn ich mit meinen Patienten übers Rauchen rede, so richtet sich die Einstiegsfrage nicht nach der Menge, sondern nach der Motivation: «Weshalb rauchen Sie?» Bei manchen löst das doch spannende Gespräche aus. Aus der Verhaltensforschung ist bekannt, dass solche «Minimalinterventionen» genauso wie Werbung funktionieren: immer wieder wiederholt bleibt doch etwas hängen. Es könnte sich also auch lohnen, unsere rauchenden Tauchbuddies aufs Rauchen anzusprechen. Mit der Moralkeule dreinzuschlagen nützt nichts: die meisten Raucher wissen nämlich, dass Rauchen schadet und würden gerne damit aufhören. Diese sollten doch zumindest beim nächsten Tauchuntersuch mit ihrem Arzt mal darüber sprechen.
Literatur beim Autor