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Gehörgangsentzündung

News - Gehörgangsentzündung

So, endlich! In knapp 40m Tiefe warteten kürzlich die Egli und Trüschen darauf, dass der Frühling kommt und sie auch wieder in höhere, wärmere Gefilde aufsteigen und die Taucher erfreuen dürfen.
Keine saisonalen Schwankungen erleben die entzündeten Ohren. Sie sorgen immer wieder für Gesprächsstoff und schaffen (Be-)Handlungsbedarf. Zum Schluss der Tauchtauglichkeitsuntersuchung heisst’s ganzjährig: «Darf ich noch ein Fläschchen mitnehmen?»

Text: Dr. med. Beat Staub
Facharzt für Allgemeinmedizin FMH, Diving Medicine Physician EDTC

Was es mit dem Fläschchen auf sich hat wissen natürlich alle Tauchenden. Es handelt sich nicht um «Stoff» wie man ihn vielleicht – so stelle ich mir das jedenfalls vor – an den Theken von gewissen Trainingslokalen für Muskelaufbau hinter vorgehaltener Hand bezieht. Und es handelt sich auch nicht um mehr oder weniger geheimnisvolle Substanzen, die sonst auf der Gasse gehandelt werden.

Nein, wir sprechen von Ohrentropfen. Kaum ein Taucher, der die Tropfen nicht vorsorglich im Tauchgepäck dabei hat, für den Fall der Fälle einer Ohrentzündung.
Die Entzündung des Gehörgangs wird in der Fachsprache Otitis externa genannt, im Slang manchmal kurz und bündig OE. Sehr viele Tauchfans mussten schon schmerzhafte Erfahrungen damit sammeln und niemand will sich den Tauchurlaub davon verderben lassen.

Gemäss älteren Untersuchungen steht die OE auf Platz eins aller Ohrenprobleme bei Tauchenden. Man nimmt an, dass etwa die Hälfte aller Taucher und Taucherinnen mindestens einmal im Leben davon betroffen sind. Besonders gefährdet sind die «Vieltauchenden». Diejenigen also, die zum Beispiel auf einer Tauchsafari täglich mehrmals im Wasser sind. Die OE macht sich mit heftigen Schmerzen im Ohrenbereich bemerkbar. Dabei ist der Schmerz weniger im Ohr drinnen, als vielmehr im Bereich der Ohrmuschel lokalisiert. Nur schon das Berühren der Ohrmuschel tut weh. Und noch viel stärker schmerzt das Zupfen oder Ziehen an der Ohrmuschel oder der Druck auf die Knorpelvorwölbung, die den Eingang zum Gehörgang umgibt. Der schmerzende Tragus (so heisst dieser Knorpel) ist charakteristisch für die OE. Häufig besteht auch ein Feuchtigkeits- und Juckreizgefühl im Gehörgang. Kratz- und Reiningungsmanöver mit dem Finger, dem Taschentuch oder dem Wattestäbchen nützen nichts oder sind wegen der Schmerzen gar nicht erst möglich.
Der Arzt wirft einen Blick mit der Ohrenlampe in den Gehörgang und dann ist die Diagnose auch schon gesichert. Dort erblickt er nämlich aufgeweichtes Schuppenmaterial, das aussieht wie ein bröckliger Brotteig, manchmal mit Blutspuren drin.

Die Schmerzen sind da, die Lust am Tauchen ist weg.
Einer Übersichtsarbeit zu Ohrenproblemen konnte man kürzlich entnehmen, dass das Bakterium Pseudomonas aeruginosa für die meisten der OE verantwortlich zu machen sei. Weiter bemerkten die Experten, dass die Behandlung bei Tauchern wie bei Nichttauchern die gleiche sei (nämlich antibiotische Tropfen) und dass die Taucher solche Tropfen dabei haben sollten, vor allem wenn sie an Orten tauchten, wo die nächste Apotheke nicht gerade um die Ecke sei. Alkohol oder Essigsäure enthaltende Lösungen «könnten hilfreich» sein, der Entstehung einer OE vorzubeugen.
Beim genaueren Durchsehen der Literatur lassen sich allerdings schon noch einige Informationen zum Thema finden.
Man geht davon aus, dass es eine gewisse Häufung von Gehörgangsentzündungen in der wärmeren Jahreszeit gibt. Taucher und Taucherinnen sind aber häufig ganzjährig irgendwo auf dem Planeten unterwegs, so dass in meiner Wahrnehmung die Verteilung nicht sehr ausgeprägt ist.
Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus aureus sind in 90% der Fälle die auslösenden Erreger, für den Rest sind Pilze verantwortlich. Während Staphylococcen auf unserer eigenen Haut zu Hause sind (und damit auch im Gehörgang . . .), ist Pseudomonas eine Erreger, der sich gerne im Wasser aufhält. Nicht nur in Seen oder Meeren kommt dieser Organismus vor. Er ist ziemlich hartnäckig, denn selbst in ausreichend chloriertem Wasser von Swimmingpools kann er gefunden werden. Er ist so anpassungsfähig, dass er sich übrigens selbst in Dieselöl vermehren kann und dort in Form eines Biofilms die sogenannte Dieselpest verursacht.
Wir sind diesen Keimen somit dauernd und überall ausgesetzt bzw. tragen sie mit uns herum.
Der wirklich auslösende Faktor scheint der Aufenthalt im Wasser zu sein. Unsere Gehörgänge werden nass und trocknen beim intensiven Tauchen nicht mehr richtig. Feucht und warm – wir alle wissen, dass das ein idealer Nährboden für Mikroorganismen ist. Die Haut im Gehörgang wird aufgeweicht, der schützende Säurefilm zerstört und dann kommt’s zur OE.
Eine holländische Forschergruppe hat vor einiger Zeit eine Studie mit dem Thema OE durchgeführt. Einen Nobelpreis werden sie dafür kaum erhalten, aber die Ergebnisse sind trotzdem lesenswert.
Als Studienteilnehmer wurden Studenten der Militärtaucherschule von 2011–2016 ausgewählt, deren Logbücher und medizinische Akten ausgewertet wurden. Bei den 162 untersuchten Teilnehmenden (darunter 7 Frauen) wurden insgesamt 30 Fälle von OE gezählt. Die Frauen hatten gemäss den Unterlagen keine solchen Probleme. Am häufigsten kam es nach etwa 3 Wochen zum Auftreten von Problemen mit einer OE. Die Taucher waren sowohl in Pools als auch im Freiwasser unterwegs, wobei die Wassertemperaturen von 2° bis 22° reichten. Während der Untersuchungsphase herrschten Lufttemperaturen von -10° bis 35°. 20 Lehrgangsteilnehmer schieden aus medizinischen Gründen aus, davon nur 3 aufgrund einer OE.
4 Betroffene wurden mit antibiotischen, die übrigen mit kortisonhaltigen Ohrentropfen behandelt.
Diese an sich unspektakuläre Untersuchung hat doch einige Informationen für uns bereit:
So wurde interessanterweise keine jahreszeitliche Häufung beobachtet werden. Haupt­risikofaktor waren die Häufigkeit und die ­Dauer der Tauchgänge.
Eben so wenig spielten die Umgebungstemperaturen bzw. die Wasserqualität (sauberes Poolwasser im Verglich zum Wasser in Häfen oder im Meer) eine Rolle.
Vorsorgliche Ohrenuntersuchungen führten zwar zur häufigeren Diagnose einer OE, konnten aber nicht verhindern, dass Tauchgänge ausgelassen werden mussten.
Es konnten keine eigentlichen Risikofaktoren für die Entstehung einer OE identifiziert werden. In der Vergangenheit war zwar vermutet worden, dass ein enger Gehörgang (was auch immer das bedeuten mochte) oder frühere Gehörgangsekzeme das Auftreten einer Entzündung begünstigen könnte. Dies war bei diesen Personen jedoch nicht der Fall.
Nur wenige dieser Militärtauchkandidaten mussten aufgrund einer Gehörgangsentzündung einzelne Tauchgänge ausfallen lassen oder sogar den Lehrgang benden (Militär­taucher eben . . .).
Aus diesen Daten kann man also ableiten, dass lediglich die Häufigkeit und die Dauer der Tauchgänge begünstigend für eine OE sind.
Ob Essigtropfen zur Vorbeugung tatsächlich etwas nutzt geht aus dieser Studie nicht hervor. Die Autoren beabsichtigen offenbar, eine weitere Untersuchung zu machen, um die optimale Behandlung zu finden.
Aufgrund des niedrigen Frauenanteils kann leider auch nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass Frauen weniger an Gehörgangsentzündungen erkranken als Männer.
No-limit-Tauchen auf dem Safariboot ist vielleicht auch in diesem Bereich mehr eine Wunschvorstellung als sinnvolle Realität. Obschon der Nutzen von säurehaltigen Tropfen (sogenannte Tauchertropfen) nicht eindeutig belegt ist, so würde ich deren Einsatz beim intensiven Tauchen trotzdem empfehlen. Wichtiger scheint aber, die Ohren nach dem Tauchen gut auszutrocknen. Zudem scheinen eine Otitis externa kein Grund zu sein, aufs Tauchen verzichten zu müssen – jedenfalls für Militärtaucher.

Welche Ohrentropfen man nun vorsorglich mitnehmen soll bleibt offen. Die Auswahl in der Schweiz ist nicht riesig. Rein schmerzstillende Tropfen machen wohl nur beschränkt Sinn, ebensowenig solche mit nur antibiotisch wirkendem Inhaltsstoff. Ich gebe den ­Tauchenden weiterhin das Kombinationspräparat mit, damit sie auch für schlimmere Fälle gewappnet sind.
Das Fläschen gehört also ins Tauchgepäck – zumindest eines pro Tauchgruppe. Plus Taschentücher (keine Wattestäbchen!), um den Gehörgang trocken zu halten.