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Quellsee

Text und Fotos: Uwe Scherner - Diplom Biologe

Sie sind der Traum eines jeden Unterwasser-Fotografen. Glasklares Wasser mit scheinbar unendlicher Sichtweite. Das kalte Quellwasser besitzt Sommer wie Winter eine relativ gleichmässige Temperatur die ungefähr dem Jahresmittel der regionalen Lufttemperatur entspricht. «Kaltstenotherm» werden diese Quellen von der Wissenschaft genannt.
Das Besondere dieser Gewässer ist deren Wasserchemie. Frisch ausgetretenes Quellwasser führt sehr wenig Pflanzen Nährstoffe mit sich. Die Phosphatwerte sind meist so gering, dass sie nicht mehr gemessen werden können. «Oligotroph» nennt man diesen Gewässertyp. Plankton sucht man hier meist vergebens, und deshalb finden wir auch sehr wenige Fische. Es fehlt die Nahrung. Wenn wir Fische antreffen, dann sind es oft Hungerformen, die an der Existenzgrenze leben. Quellen sind somit wenig produktiv. Das zeigt uns bereits die Transparenz und oft blaue Farbe des Wassers. (Die Ursache für das Grün bei nährstoffreichen Seen liegt am pflanzlichen Plankton, das die Grundlage der Nahrungskette bildet).

Auch der Sauerstoff-Gehalt ist sehr gering, wenn das Wasser aus dem Boden kommt. Sauerstoffarmes und sauerstoffreiches Wasser sind in Quellseen oft dicht beieinander. Direkt am Boden, am Quellaustritt, hat das Wasser einen sehr geringen Sauerstoff-Gehalt. In einiger Entfernung, oft nur wenige Zentimeter höher, findet man durch die Photosynthese der Pflanzen und den Eintrag über die Wasseroberfläche beträchtlich höhere Sauerstoffkonzentrationen. Der Sauerstoffmangel im direkten Quellbereich macht höheres Leben (z.B. Fische) unmöglich. Begünstigt wird dort das Auftreten von Bakterien, die zur Energieerzeugung nicht auf Sauerstoff angewiesen sind. Sie können andere chemische Prozesse anwenden, um ihren Energiebedarf zu decken. Als Abfallprodukt entsteht dann nicht Kohlendioxid, wie bei der Atmung der höheren Lebewesen, sondern beispielsweise der giftige Schwefelwasserstoff. Diesen können wir Taucher als Geruch nach faulen Eiern wahrnehmen, oder als weisse milchige Trübung in Quellnähe beobachten.

Die Bakterienrasen an den Quellen entwickeln ein ungeahntes Farbenspiel – oft prächtiger als in den Korallenriffen. Wir können dort rote Glanz-Schwefelbakterien, hellgrüne Schraubenalgen-Watten, tiefblaue Schwingalgen und fahlgelbe Chlorobakterien antreffen.
 Vielleicht habt auch Ihr einen Quellsee in Eurer Nähe, den Ihr bis jetzt wegen der geringen Tiefe nicht beachtet habt.